Collagierte Fragmente

Wilko Austermann

Collagierte Fragmente fügt die Künstlerin Anne-Katrin Puchner zu rätselhaften Gebilden zusammen. Ihr Werk besteht aus einer kontinuierlichen Forschung an der Wahrnehmung von Motiven und Formen. In den bildhauerischen Plastiken und Papierarbeiten manifestiert sich die Technik der Collage. Begegnen / Sammeln / Auseinandersetzen und Zusammenfügen. Ein langwieriger Prozess / der intensive Forschung an der Bildmaterie betreibt.

Dabei werden die Papierarbeiten zu kristallinen Gefügen. Ihre Bildkompositionen erinnern an Kaleidoskop / das aus denselben Elementen stets neue Muster kreiert. Dabei fertigt die Künstlerin aus den figurativen Motiven von Zeitschriften und Magazinen lebendige Strukturen.

Fläche / Form und Narration. Die Motive sind aus dem Kontext herausgerissen und verknüpfen sich zu einem neuen Bildinhalt. Anne-Katrin Puchner fokussiert sich dabei auf die Farben und die jeweilige Geschichte hinter dem Motiv. Architekturelemente / Oberflächenstrukturen und Naturdarstellungen kulminiert sie zu einer neuen abstrakten Form. Sie spielt in den Papiercollagen mit der Wahrnehmung des Betrachters. Ihm gelingt es / einzelne Bildinhalte zu entziffern und verbindet diese mit neuen Motiven. Eine neue Geschichte entsteht / die zu einem individuellen Ende führen kann. Sie überlässt die Rezeption dem Betrachter / verweist allerdings mit gegebenen Titeln auf eine mögliche Interpretation und Inspiration.

Die bildhauerischen Plastiken bestechen durch knallige Farben. Verwandt mit den Papiercollagen ist die äußere Form / die sich in kristallinen / dynamischen Strukturen offenbart. Der Blick auf die Oberfläche zeigt die Herkunft des Objektes. Die Künstlerin formt Alltagsgegenstände ab und verbindet sie zu einer neuen Form. Sie veredelt beliebige Gegenstände und überführt diese in die Ewigkeit durch den Guss in Bronze. Das leichte Motiv transformiert Puchner ins Schwere und hinterfragt die jeweilige Materialästhetik und Herkunft. In den bildhauerischen Plastiken arbeitet sie mit unterschiedlichen Materialien / wie Aluminium / Acryl / Bronze und Teer. In der jeweiligen Ausstellungskombination wird die Dynamik der Stoffe und Formen sichtbar. Anne-Katrin Puchner gelingt es / mit ihrer Kunst neue Objektwelten zu kreieren. Sie hinterfragt durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien den Hintergrund der Motivik. Diese Ambivalenz zwischen Form und Bildinhalt lässt ihr Werk rätselhaft / dynamisch erscheinen. Anstelle der Forschung von Kristallen innerhalb der Kristallo­graphie untersucht sie die Entstehung / Herstellung / Struktur und Eigenschaften diverser Materialien. Anne-Katrin Puchner verknüpft die künstlerische Forschung auf intelligente Weise im Raum und überlässt die narrative Interpretation dem Betrachter.

Translocality

Susanne Rohs

Anne-Katrin Puchners Arbeiten strahlen Experimentierfreudigkeit aus. Ideen, Bilder und Dinge werden nicht hingenommen, sondern hinterfragt, auseinander genommen und in neuem Kontext wieder zusammengebaut – oft dabei so verdichtet, dass nur noch die Idee einer Form bestehen bleibt. Heraus kommen dabei Arbeiten, die sich der Greifbarkeit entziehen, die etwas Flüchtiges, nicht Dauerhaftes ausstrahlen – das Vergängliche ist allgegenwärtig.

Das Spannungsfeld zwischen Bewegung und Starre wird durch die verwendeten Materialien Karton und Teer thematisiert. Karton als Transport- und Recyclingmaterial und Teer, der immer fließt, nie ganz durchhärtet. Anne-Katrin Puchner arbeitet sehr raumbezogen. Das Thema dieser Ausstellung lautet Translocality. Der Begriff kommt aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Bereich. Er beschreibt den Austausch von Ideen, Waren und Dienstleistungen, der in Asien und Afrika schon seit hunderten Jahren von vielen Kulturen praktiziert wird. Und Austausch ist es auch, was Anne-Katrin Puchner in dieser Ausstellung erforscht.

Wie verändern sich Installationen, die für einen bestimmten Raum entwickelt wurden oder auch scheinbar autonome Objekte, indem sie in einem neuen Kontext gezeigt werden? Wie Versatzstücke werden sie mit dem neuen Kontext abgeglichen und dabei verändert. Es geht ihr um das neu formieren, das Resultat von Transfers, die Veränderungen, die die Interaktion und die Verbindung von Orten, Betrachtern und Konzept hervorbringen.

Weiß ist eine dreckige Farbe

Anke Volkmer

Von der zunächst absurd anmutenden Behauptung »Weiß ist eine dreckige Farbe« ausgehend entwickelte Anne-Katrin Puchner die Rauminstallation Ohne Titel. Die Künstlerin knüpft an ein Paradox an, denn die Farbe Weiß wird mit Reinheit assoziiert, aber auch mit Neubeginn, welcher immer auch einen transformatorischen Prozess beinhaltet. Weiß ist zunächst einmal neutral, was die Farbe zu einem idealen (Bild-)Träger und somit zur Basis für den schöpferischen Prozess werden lässt. Ein weißes Blatt Papier, eine weiße Leinwand oder wie im Fall des Ratssaals des Schloss Neersen der weiße Netto-Raum, markiert den Ausgangspunkt für eine künstlerische Auseinandersetzung, die sich jedoch nicht auf der Wand, nicht auf Papier oder Leinwand und nicht auf einem Sockel manifestiert, sondern unmittelbar in der Unberührtheit des dreidimensionalen Raums stattfindet. Indem Anne-Katrin Puchner die Farbe Weiß nun aber als »dreckige Farbe« bezeichnet, lässt erahnen, dass der Ansatz ihrer Arbeit darin liegt, tradierte Bedeutungen zu hinterfragen und allgemeine Vorstellungen und Werte auf den Kopf zu stellen, ja sogar die Existenz einer allgemeingültigen Aussage zu bezweifeln, um damit den Blick auf eine neuartige und vielschichtige Erlebniswelt zu öffnen, auf die Installation Ohne Titel.

Die Künstlerin arbeitet installativ und meist ortsbezogen, was bedeutet, dass sie auf die jeweilige individuelle Spezifik und Atmosphäre eines Ausstellungsraums eingeht. Bei der ersten Begehung des Ratssaals ist ihr sofort die Betondecke mit ihren eigentümlichen Positiv-Negativ Volumina ins Auge gefallen, die sie als starken Kontrast zu dem sonst sehr klassischen Erscheinungsbild des restlichen Raums wahrnahm und deshalb zum Impulsgeber ihrer Installation machte.

Anne-Katrin Puchner selbst hat ihre Vorgehensweise mit den folgenden Worten beschrieben: »Als Kind bin ich immer einen Spiegel vor mir haltend durchs Haus gegangen, wobei ich nach unten auf den Spiegel gesehen habe, mein Blick aber durch den Spiegel nach oben gerichtet war. So habe ich mir vorgestellt, dass Oben Unten ist. Ein sehr eigentümliches Körpergefühl. Oben und Unten waren aufgehoben. Je nachdem, wohin ich meine Aufmerksamkeit lenkte, war Oben oder Unten oder beides. Dieses Gefühl wollte ich umsetzen, den Raum erkunden, eine Spur hinterlassen, wie einen Kondensstreifen oder eine Sternschnuppe.«

Ein Ausspruch des amerikanischen Filmregisseurs David Lynch blieb ihr dabei besonders im Gedächtnis: »Es gibt so viel Geheimnisvolles, wenn man ein Kind ist. (…) Mit dem Erwachsenwerden glauben wir die Gesetze zu verstehen, doch in Wirklichkeit erleben wir eine Verarmung der Phantasie.«[1]

Diese Umkehrung von Oben und Unten realisierte die Künstlerin nun in unmittelbarem Bezug auf die Proportion der vorgefundenen baulichen Situation. Sie wählte dazu mit Spiegelfolie bezogene Latten aus, die sie beinahe skizzenhaft zu einer flirrenden skulpturalen Installation zusammenfügt, um ihr Raumgefühl in Richtungen, Perspektiven und Bewegungen umzusetzen, gleich einer dreidimensionalen Zeichnung oder einem eingefrorenen Moment im Raum.

Die an Schraffuren erinnernden Spiegellatten erstrecken sich zunächst noch geerdet und dann an Drähten aufgehangen in einer rhythmischen Bewegung in die Höhe, erkunden als abstraktes Liniengewebe den Raum, verdichten sich zu Zentren besonderer Konzentration, werden gestoppt, umschreiben Ruhepole – wie den im Raum befindlichen Konzertflügel – um sodann anzuschwellen und auszuschwärmen, wie um die Grenzen des Raums zu überwinden.

In der Dynamik und Flüchtigkeit glaubt man sich fast an den rhythmisch-expressiven Ausdruckstanz erinnert, beispielsweise den einer Gret Palucca, deren Auftritt im Dessauer Bauhaus 1927 László Moholy-Nagy bildhaft beschrieb und der an dieser Stelle im übertragenen Sinne zitiert werden soll: »Palucca verdichtet den Raum, sie gliedert ihn: Der Raum dehnt sich, sinkt und schwebt – fluktuierend in allen Richtungen.«[2]

Auch der Spiegel, mit dem die Künstlerin den Saal abgeschritten und ausgelotet hat, vermag den Blick in alle Richtungen zu erweitern. Er lässt kontinuierlich neue Bilder entstehen, jedoch bleiben diese stets ungreifbar.

Slavko Kacunko fasste in einer kunsthistorischen Untersuchung die Eigenschaften des Spiegels folgendermaßen zusammen:
»Mit Hilfe des Spiegels kam der Mensch nicht nur sich selbst, sondern auch den unendlichen Fernen des Universums näher als mit irgendeinem anderen Medium. Als Medium der Selbsterkenntnis fand der Spiegel die Grenzen seiner wissenschaftlichen Rezipierbarkeit in der Selbstbezüglichkeit, dem großen Thema aller psychoanalytisch orientierten Forschungsansätze. Als Leerstelle der Welterkenntnis bekamen Spiegel eine wissenschaftliche Perspektive vor allem jenseits ihrer eigenen Medialität in Bildern und Metaphern [...].«[3]

Bereits im historischen Kontext der Schlossarchitektur stand der Spiegelsaal des Barock, man vergegenwärtige sich beispielsweise Versailles, in der Verbindung von Spiegeln, Fensterausblicken und illusionistischen Deckengemälden für eine Erweiterung des Lebensraums. Und wie sich in den Spiegeln tagsüber einfallendes Licht und die Parkansicht sowie am Abend das festliche Kerzenlicht reflektierten, reagiert Anne-Katrin Puchners Installation auf das Licht im Saal, bricht es prismatisch und wirft Schatten auf Wände und Boden.

Anne-Katrin Puchners Bildsprache ist zunächst in der Moderne verankert. Anknüpfend an die reinen Formen und geometrischen Kompositionen jenseits des rechten Winkels der russischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts bricht sie mit den klassischen Regeln der Komposition. Sie überführt diese formale Struktur in die Nähe zu dem aus der Architektur hervorgegangenen, postmodernen Begriff des Dekonstruktivismus. Genau wie dieser bedeutet aber Anne-Katrin Puchners Werkansatz nicht De-Konstruktion im Sinne von Zerstörung, sondern vielmehr eine analytische Offenlegung von Strukturen, deren Aufbrechung, und die daraus resultierende Sichtbarmachung von Instabilität.

Zur Veranschaulichung dieser These sei hier noch Mark Wigley zitiert, der in den 1980er Jahren zusammen mit Philip Johnson den Begriff der Dekonstruktivistischen Architektur maßgeblich geprägt hat: »Ein dekonstruktiver Architekt ist deshalb nicht jemand, der Gebäude demontiert, sondern jemand, der in den Gebäuden inhärente Probleme lokalisiert. Der dekonstruktive Architekt behandelt die reinen Formen der architektonischen Tradition wie ein Psychiater seine Patienten – er stellt die Symptome einer verdrängten Unreinheit fest. Diese Unreinheit wird durch eine Kombination von sanfter Schmeichelei und gewalttätiger Folter an die Oberfläche geholt: Die Form wird verhört.«[4]

Neben den die Form betreffenden Eigenschaften bestimmen verschiedene andere Determinanten die Wahrnehmung eines Werkes: Raum, Licht und die aus der physischen Präsenz des Betrachters resultierende Perspektive, wie der amerikanische Künstler Robert Morris in einer Reihe von 1966 im Amerikanischen Magazin Artforum erschienenen Essays »Notes on Sculpture« konstatierte.

Er erkannte, dass die Bewegung des Betrachters im Raum eine Erfahrung des Werkes in der Zeit erlaubt. Diese Gleichzeitigkeit von Raumerfahrung und Werkrezeption stellte eine der wesentlichen Errungenschaften der Minimal Art dar. Morris fasste damit den Wandel des Verständnisses der Wahrnehmung und Rezeption sowie der wechselseitigen Beziehungen zwischen Betrachter und Kunstwerk zu einem wegweisenden neuen Werkbegriff zusammen.

Anne-Katrin Puchners Installation Ohne Titel greift diesen Gedanken auf, entwickelt aber durch die Unterwanderung von formalen, inhaltlichen und rezeptionsseitigen Erwartungen eine neue Bildvorstellung und Erfahrungswelt. Erst mit ihrer echohaften Intervention in die Raumorientierung erschließt sie das räumliche Volumen und lässt es zum eigentlichen Bildträger werden. Sie nutzt das Potenzial einer nahezu entmaterialisierten Skulptur, um den Betrachter den konzeptuellen und performativen Prozess der Raumerkundung nachvollziehen zu lassen. Der von ihr im Dialog mit der Spezifik des Orts entwickelte installative Raum wird für den Betrachter nunmehr sowohl als physisch präsentes Objekt wie auch als imaginierter Raum erfahrbar. Im Moment der ästhetischen Erfahrung lässt die Künstlerin den Betrachter aber die Synthese dieser beiden Anschauungsräume vollziehen und ihn teilhaben an einem subjektiv erlebbarem Gesamtraum.

[1] David Lynch in: »Lynch über Lynch«, Hrsg. v. Chris Rodley, Frankfurt/M., 2006, S.30.
[2] Moholy-Nagy, László. »Tanz Palucca, Prospekt IV, 1926/27«, zit. n. Sorg, Reto: Der Tanz und das »Gesetz der Bewegung« bei Paul Klee. Anmerkungen zu einer Pathosformel der Moderne, in: Paul Klee. Melodie/Rhythmus/Tanz, Ausstellungskatalog Museum der Moderne, Hrsg. v. Toni Stoss, Salzburg, 2008, S. 229.
[3] Kacunko, Slavko. »Der Spiegel, der Rahmen und der Wille zur Macht der Bilder. Auszüge aus einer Kunstgeschichte des Spiegels im Zeitalter des Bildes«, in: Rahmen. Zwischen Innen und Außen: Beiträge zur Theorie und Geschichte. Hrsg. v. Hans Körner/Karl Möseneder, Berlin 2010, S. 259.
[4] Mark Wigley in: Johnson, Philip/Wigley, Mark: »Dekonstruktivistische Architektur«. Stuttgart 1988, S. 11.

Mit Anlauf über die Mauer

Michael Zink

Ich trete in die ehemalige Kapelle und halte inne. Eine Mauer wie ein grauer fester Quader, mehr als mannshoch, steht frei im Raum. Sie berührt weder Wände noch Decke – ein Fremdkörper in dem ehemaligen Kirchenraum – minimal und zurückhaltend, trotzdem brachial, über den sich filigran das gotische Gewölbe spannt. Die Mauer ist zu hoch, um darüber, und zu dick, um an ihr vorbei in den hinteren Teil des Raumes zu sehen, aus dem ein kühles Licht nach vorne strahlt und, reflektiert vom Kreuzgewölbe, die Mauer umgibt.

Die Oberfläche des Quaders ist von einem warmen gebrochenen Grau. Das Material erinnert an rauen Zement, den ich mit den Fingern berühren möchte, aber ich zögere. Die gesamte Fläche der Mauer ist mit einer zarten Malerei, einer Art Piktogramm überzogen, mit dem ich schon auf den ersten Blick »Stacheldraht« assoziiere. Die ungleichmäßigen feinen Grautönen wirken beinahe silbrig. Das Motiv ist mit einer Schablone lasierend aufgetragen, die Kanten sind präzise und klar. Nur die dezente Modulation der Farbwerte verrät die Handschrift der Künstlerin. Der Quader ist Leinwand, der Stacheldraht ist Malerei. Aber dieser Stacheldraht ist harmlos, ohne Stacheln und mittels Farbpigmenten nur angedeutet auf dem Zement. Das eigentliche Hindernis ist die Mauer. Sie ist undurchdringlich. Sie versperrt mir die Sicht und den Weg. Der Stacheldraht befiehlt mir, Abstand zu halten. Plötzlich geschieht etwas Besonderes: Mir wird die Ironie dieses Stacheldrahts bewusst. Der Stacheldraht ist harmlos, aus dünner Farbe! Nicht er ist es, der mich daran hindert, über die Mauer zu springen, nur die Idee. Die Mauer selbst ist ebenfalls Illusion. Fast muss ich lächeln. Wie leicht ich mich doch selbst hinters Licht führe, wie unüberwindbar ich die Mauern in meinem Kopf aufbaue, die sich nun als reine Fassaden aus vorschnellen Urteilen und flüchtigen Impressionen entpuppen.

In diesem Spannungsverhältnis von Ironie und Selbsterkenntnis bekommt die Skulptur von Anne-Katrin Puchner eine Leichtigkeit, beinahe Schwerelosigkeit in dem Raum der Sigismund Kapelle. Die Mauer verliert ihre Wucht, ihre Stabilität, ihre Bedeutung, und ich verlasse den Raum erleichtert, ja sogar erheitert.

An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Denn auch, wenn die Sigismundkapelle schon lange kein sakraler Ort mehr ist, war der ehemalige Kirchen- und Andachtsraum wohl im besten Sinne dazu bestimmt, Einkehr zu halten, sich selbst und das eigene Handeln zu hinterfragen und mit Hoffnung und neuer Kraft den heiligen Ort wieder zu verlassen. Lässt man sich als Besucher auf die Begegnung mit der Skulptur von Anne-Katrin Puchner an diesem Ort ein, kann genau das, auch jenseits jeglicher religiösen Interpretation, geschehen.

Anne-Katrin Puchner ist mit ihrer ortsbezogenen Intervention in dem ehemaligen Kirchenraum ein ganz besonderes Moment der Balance gelungen. Wie ein Fremdkörper steht die Skulptur in dem Raum, in den sie aber so präzise eingepasst ist, dass es keinen besseren Ort für sie geben kann. Mauer und Stacheldraht erzeugen das massive Bild einer Barriere. Sie erzählen von Abgrenzung und Trennung, physisch wie emotional. Jedoch löst sich dieses Bild im gleichen Moment wieder auf und offenbart sich als reine Illustration einer Idee. Die Skulptur bedient sich dabei einer minimalen, aber direkten Sprache. Der Brückenschlag von der physischen Konfrontation mit der unüberwindbaren Barriere und dem warnenden Stacheldraht hin zu den sich auflösenden Mauern im Kopf ist ein schmaler Grat, den Anne-Katrin Puchner mit besonderer Eleganz meistert.